Yes
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Bemerkungen
1968 gegründet, stießen die vermeintlichen Urväter des Prog eigentlich erst eher spät, 1971, mit ihrem dritten Album ("The Yes Album") zur dominierenden Musikrichtung im England der 70er Jahre. Die ersten zwei Platten, "Yes" und "Time and a Word" enthielten - von einigen Ausnahmen, wie dem proggigen "Then" abgesehen - vorwiegend poppige Endsechziger-Musik, auf letztgenanntem mit vergleichsweise (The Nice, Deep Purple) wenig überzeugenden Orchesterexperimenten verunklärt.
Mit der Ankunft des in verschiedenen Stilen versierten Gitarristen Steve Howe im Yes-Lager änderte sich das, und die Band beschritt nun mutig einen Weg, der sie zwischen 1971 und 1973 über vier Alben von den noch recht simplen 10-Minuten-Stücken auf "The Yes Album" (vgl. "I've seen all good People", das perfekt den Übergang von der frühen Phase zu den Progalben markiert) zu einem ambitionierten und umstrittenen Konzeptwerk in vier Teilen führen und damit in den Proghimmel katapultieren sollte. Dies ist vor allem der harten Hand Jon Andersons zu verdanken, der häufig recht dickköpfig seine zum Teil recht abgedrehten Ideen (von seinen esoterisch-religiösen Texten mal ganz abgesehen) gegen den bodenständigeren Chris Squire durchsetzte. Diese Entwicklung ist in der Proggeschichte recht einmalig, und macht einen großen Teil der Faszination aus, die bis heute für viele von Yes ausgeht. Sie läßt sich am besten an den Hauptwerken "Fragile" und "Close to the Edge" ablesen, gerade auf letzterem experimentierten Yes erstmals erfolgreich mit 20minutenstücken, klassischen Strukturen (v. a. der Sonate) und Anleihen aus Barock ("Siberian Khatru", "Close to the Edge"), Psychedelic ("Close to the Edge"), Jazz ("Siberian Khatru") und Fernost.
Die klassische Besetzung bestand aus Anderson, dem Anführer, Squire, einem Bassisten, der durch sein ungewöhnlich melodöses Spiel weit mehr tat, als nur die Grundlage für den Bandsound zu legen, dem Schlagzeuger Bill Bruford, der, vom Jazz kommend, die Band auch in dieser Hinsicht die Grenzen traditioneller Rockmusik überschreiten ließ, Steve Howe, der Country-Elemente einbrachte und seit "Fragile" dem Keyboarder Rick Wakeman, der mit seinem Spaß an den allerneusten Keyboards das Klangspektrum der Band erweiterte, darüber hinaus aber als erfahrener Arrangeur vor allem für die Songstrukturen verantwortlich war. Seine Bedeutung für die Band ist deutlich zu hören, wenn man die eher einfach gebauten "Starship Trooper" oder "I've Seen All Good People" von "The Yes Album" mit den deutlich komplexer arrangierten Stücken auf "Fragile" vergleicht.
Nach dem angesprochenen Mammutwerk "Tales from Topographic Oceans", auf dem die Band versuchte, in einer Fußnote eines Eso-Bestsellers Angedeutetes in westlich-anspruchsvolle Kulturtöne zu gießen, stieg Wakeman, der vornehmlich zwischen 1971 und 1973 wirkliche stilistische Akzente setzen konnte, genervt aus. Ihm hatte man zu wenig Raum auf dem Album gelassen. Yes legten daraufhin mit "Relayer" ihre vielleicht mutigste und abgefahrenste Platte vor, was nicht zuletzt dem "Neuen", Patrick Moraz, zu verdanken ist (auch wenn der kaum mitkomponiert hat). "Relayer" ist deutlich stärker auf der jazzrockigen Seite, ja es gibt sogar einige Musique-Concrète-Passagen zu hören. Bis 1977 gönnte man sich dann eine "Pause", die jedes Bandmitglied mit einem Soloalbum füllte. Danach, und unter Wiedernutzung der Wakemanschen Talente, ging es weiter ("Going for the One"), bis Anderson und Wakeman gemeinsam nach katastrophal verlaufenen Aufnahmesessions in Frankreich, für den Nachfolger von "Tormato", selbst schon ein mediokres Album, ausstiegen. Das entsprechende Album wurde glücklicherweise nie veröffentlicht, einige Outtakes erschienen später auf dem Sampler "In a Word: Yes" und auf den Rhino-Reissues der Alben "Tormato" und "Drama".
Nun, 1980, zeigte sich, daß Yes - entgegen den Beteuerungen der Rockpresse - nicht zuletzt eine Gitarrenband war: auch ohne die beiden vermeintlichen Protagonisten schaffen es die verbliebenen drei Mitglieder, unter Mithilfe der Buggles ("Video killed the Radio Star") Trevor Horn (Gesang) und Geoffrey Downes (Keyboards) mit "Drama" ein hervorragendes Album zu produzieren, das trotz neuer Musiker nicht nur nach Yes klang, sondern auch 100%ig Yes war. Dennoch brach 1980 die Band auseinander.
In gewisser Weise markiert dies das Ende der Band Yes: Der Ausstieg von Wakeman und Anderson, als Sänger für viele Fans eine wichtige Identifikationsfigur, sowie die Neuaufstellung der Musikindustrie Ende der 70er Jahre hinterließen ihre Spuren. Seit dieser Zeit muss man Yes als ein Projekt bezeichnen: Die gemeinsamen Jahre waren vorbei, zentrale Figuren waren zerstritten, man heiratete, und so kam es, dass sich seit den frühen 80er Jahren fast für jedes neue Album eine neue Konstellation von Musikern zusammenfand. Die wechselnden Antipathien, aber auch die sprunghaften Entwicklungen der Studiotechnik führten dazu, dass kaum je wieder alle Bandmitglieder gemeinsam im Studio standen. Auch fand man sich immer nur zu Aufnahmen zusammen, jenseits des Studios gingen sich die Musiker weitgehend aus dem Weg. Selbst bei Tourneen fuhren nicht alle gemeinsam im gleichen Tourbus.
Bis 1980 hatte die Band ihre Songs aus kleinen und kleinsten Ideen aller beteiligten Musiker zusammengebaut, nun führte die Abkehr von der bewährten kollektiven Kompositionsweise zu einem gravierenden stilistischen Wandel: Yes wurde eine Pop-Rock-Band. Verantwortlich dafür war der Druck der Plattenfirma. 1980 hatte Boss Ahmet Ertegün zu Chris Squire gesagt: "Das nächste Album muss einen Singlehit haben!". Da Yes aber keine Band ist, die Hits schreiben kann und ohnehin kaum neues Material vorbereitet hatte, war man froh, auf die Hilfe des südafrikanischen Sänger und Gitarristen Trevor Rabin zurückgreifen zu können. Der hatte seit einiger Zeit verschiedenen Bands und Labels seine Demos angeboten, Yes/Atlantic griffen zu. Yes spielte seine Demos ein, zunächst noch unter dem Namen "Cinema", doch weil Management und Plattenfirma der Meinung waren, dass man mit dem am Markt etablierten Namen Yes erfolgreicher sein würde als mit einem Namen, der erst hätte neu eingeführt werden müssen, holte man Jon Anderson und den ersten Keyboarder Tony Kaye in die Band zurück und nannte die Band Yes. Ohne die beiden hätte es rechtliche Probleme mit dem Namen gegeben.
Anderson machte gute Miene zum bösen Spiel. Der nun eingestiegene Gitarrist Trevor Rabin ist zwar nicht für den stilistischen Wandel verantwortlich zu machen (er dachte ja, er gründe mit den anderen eine völlig neue Band, Cinema), sehr wohl aber für das vollkommen veränderte Soundgewand (das vielfache Austauschen der Keyboarder hatte nie solch weitreichende Konsequenzen). Der AOR, den Yes ab jetzt produzierten, schmeckte Anderson von Anfang an nicht. Obendrein hatten sich Squire und Rabin nun als Anführer der Band etabliert.
Nach zwei erfolgreichen Alben, "90125" und "Big Generator", verließ Anderson frustriert die Band. Zeitweise existierten dann zwei Yes gleichzeitig: eine Band unter dem Namen "Yes", eine unter dem Namen "Anderson, Bruford, Wakeman, Howe". Nach einem rein finanziell motivierten Wiedervereinigungsveruch 1990, mit einer achtköpfigen Band und dem hektisch zusammengeschusterten Album "Union", versuchte man halbherzig, an den Stil der 70er Jahre anzuknüpfen, teils in der 80er-Besetzung ("Talk"), teils in der klassischen Besetzung mit Wakeman und Howe ("Keys to Ascension"), doch der Poprock setzte sich durch, vor allem forciert von Chris Squire.
Gleichzeitig erlebte der Progressive Rock einen zweiten Frühling: Bands wie Spock's Beard oder die Flower Kings knüpften an die Musik der 1970er Jahre an. Wer aber erwartet hatte, dass Yes oder die reformierten ELP sich nun an die Spitze des neuen Trends setzen würden, wurde enttäuscht. Persönliche Querelen standen dem ebenso im Weg wie die stilistische Ausrichtung an einem Massengeschmack, dessen Träger jedoch die Band nach und nach verließen. Yes wurde mit Alben wie "Keys to Ascension", "Open your Eyes" und "The Ladder" musikalisch zu einer sich selbst zitierenden Randerscheinung, und die Verkaufszahlen nahmen zusehends ab.
Dass Yes seit den frühen 90er Jahren keinen festen Plattenvertrag mehr hatten, und von Album zu Album wieder aufs Neue Klinken putzen mussten, war der Situation der Band nicht gerade zuträglich. Ein Tiefpunkt war 1997 erreicht, als die Band nach einem Wechsel zu Eagle/Beyond auf Tournee gehen wollten, die Plattenfirma sie aber nicht ließ, weil sie ohne ein neues Produkt halb leere Hallen befürchtete. Da Yes aber kein neues Material hatten, wurde kurzerhand das Material eines Nebenprojekts von Chris Squire und Billy Sherwood zum Yes-Album "Open your Eyes" umfunktioniert.
Auch die nächsten Alben erschienen bei unterschiedlichen Plattenfirmen, die mangels Verkaufserfolgen immer weniger Geld in die Produktionen investierten. Nach der Veröffentlichung des Albums "Magnification" im Jahre 2001, einer Zusammenarbeit mit großem Orchester, die auf mäßige Begeisterung und niedrige Verkaufszahlen stieß, und anschließenden Touren, ebenfalls kostspielig mit Orchestern, zog sich die Band aufgrund interner Streitereien zurück und beschränkte sich aufs (Wieder)veröffentlichen von Compilations, Boxen und DVDs. Alle Mitglieder verfolgten Solo- oder Nebenprojekte, darunter "Conspiracy" und "The Syn" (Chris Squire), "Anderson & Wakeman", "White" (Alan White), "Asia" (Steve Howe) und "Yoso" (Billy Sherwood, Tony Kaye, Bobby Kimball). Als Anderson die Band aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste und deshalb sogar eine Tournee platzte, suchten sich die verbleibenden Mitglieder Squire, White und Howe Ersatz in Person von Benoît David, Sänger einer Yes-Coverband. Zeitweise war auch Rick Wakemans Sohn Oliver Mitglied, er wurde jedoch 2011 von "Drama"-Keyboarder Geoff Downes ersetzt, um das neuen Album "Fly from here" als eine Art Neuauflage der "Drama"-Besetzung vermarkten zu können.
Doch auch "Fly from here" stieß nicht mehr auf die Begeisterung der Fans: Erneut fuhr ein Studioalbum rote Zahlen ein. Um die Verluste auszugleichen, schickte Yes' neue Plattenfirma, das italienische Oldielabel Frontiers Records, die Band auf lange Tourneen, auf denen sie ausschließlich ihre alten Klassiker spielte - etwas, dass sie seit der "Keys to Ascension"-Äre Mitte der 90er Jahre ohnehin schon getan hatte. Die Setlisten dieser letzten 20 Jahre ähnelten einander auffällig, und rekrutierten sich vor allem aus den Alben "The Yes Album", "Fragile", "Close to the Edge" und "Going for the One". Neue Stücke wurden allenfalls sporadisch gepielt.
Inzwischen hatte Jon Davison, vorher bei Glass Hammer, Benoît David ersetzt, weil dieser im Gegensatz zu seinem Vorgänger selbst Songs schrieb. Es wurde offensichtlich, dass Yes dringend neues Material benötigten (schon "Fly from here" hatte zu großen Teilen aus alten Ideen aus den 80er Jahren bestanden). Die Einsparungen bei den Aufnahmen zum nächsten Album "Heaven & Earth" wurden diesmal noch drastischer: Die Band war vor den Aufnahmen kaum komplett versammelt, vielmehr reiste Davison mit seinen Demos von einem Mitglied zum nächsten. Zudem erlaubte Frontiers Yes nicht einmal die Häfte der Zeit, die sie normalerweise im Studio benötigen. Entsprechend sparsam waren Songwriting und Produktion. Dazu kam, dass Band und Plattenfirma mit der Produktion unzufrieden war: Die Musik habe einfach nicht nach Yes geklungen. Am Ende wurde Billy Sherwood damit betraut, die Aufnahmen zu überarbeiten.
(Nik Brückner)
Leitfaden
Yes-Eintrag im Leitfaden "Britischer symphonischer Prog der 70er Jahre"
Personell verwandte Bands (Pfadfinder)
Anderson, Bruford, Wakeman & Howe; Jon Anderson; Anderson Ponty Band; Anderson/Stolt; Anderson/Wakeman; Asia; Max Bacon; Badger; Peter Banks; Bruford; Bruford Levin; Circa:; Conspiracy; Bill Currie with Steve Howe; Downes Braide Association; Geoffrey Downes; Empire; Flash; The Fusion Syndicate; GTR; Steve Howe; Steve Howe with Bodast; Steve Howe/Paul Sutin; Steve Howe's Remedy; Jeff Wayne, Rick Wakeman, Kevin Peek; Jon and Vangelis; Tony Kaye; Igor Khoroshev; King Crimson; Levin Torn White; Mabel Greer's Toyshop; Mainhorse; Moraz/Bruford; Patrick Moraz; Mystery; Trevor Rabin; Billy Sherwood; Billy Sherwood & Tony Kaye; Squackett; Chris Squire; Steve Howe Trio; The Strawbs; The Syn; Steve Thorne; UK; U-Z Project (Ultimate Zero Project); Virgil & Steve Howe; Oliver Wakeman with Steve Howe; Rick Wakeman; John Wetton & Geoffrey Downes; White; Alan White; World Trade; Yoso
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